Wilson - Der Anti Aussie
WILSON – DER ANTIAUSSIE – TEIL: 7
- von Mira Berghöfer
JUGENDSÜNDEN
Als das Müdi und ich uns kennenlernten, war er gerade mal 9 Wochen alt und ein wahrhaftig niedlich anzusehendes kleines Bündel Hund.
Trotz seines Alters wusste er allerdings schon was, er wollte. Einschränkend muss vorweggenommen werden, dass sich damals noch gar nicht um einen Müdi nach meinem heutigen Verständnis handelte, denn in diesem Welpen steckte unendlich viel negative Energie, die er kaum loswerden konnte.
Die ersten Wochen mit neuem Hundebaby sind sicherlich immer anstrengend und so war auch Wilsons Umzug damals nicht ganz einfach für ihn und uns. Zwar gelang es ihm bereits seit der ersten Nacht nicht vor die Tür zu müssen und insgesamt habe ich vielleicht zwei Mal in unserem Zusammenleben ein Malheur in der Wohnung beseitigen müssen, aber seine Zerstörungswut glich einem Hurrikan. Ob es Fernbedienungen waren, deren Knöpfe er komplett verspeiste (vielleicht als ersten müdischen Fressrausch zu verbuchen), Kerzen, die er samt Docht vertilgte, Absätze meiner Lieblingsschuhe, die er als Kauspielzeug missbrauchte, die neue Winterjacke meiner Mutter, dessen Reißverschluss er während eines Kaffeetrinkens annagte, oder die Kofferraumabdeckung des Leasingfahrzeugs meiner Eltern, die wir nach einer etwas längeren Autofahrt vollkommen zerkaut vorfanden. Nichts war vor ihm sicher.
Die ersten Nächte sollte er in einem Karton neben unserem Bett verbringen. So sollte vermieden werden, dass der Winzling nachts ausbrechen konnte und ihm darüber hinaus ein geborgenes „Nestgefühl“ vermittelt werden. So der Ratschlag der Züchterin. Witzige Idee, denn klein Wilson fand diesen Karton so gar nicht behaglich und eine Kartonwand stellte für ihn kein Hindernis dar. So fraß er sich nachts durch den Karton, und als er vor seiner Schnauze nicht die Freiheit, sondern die Wand des Schlafzimmers vorfand, fraß er einfach weiter. Das riesige Loch im Putz neben meinem Bett musste ich vor meinem Auszug dann verspachteln. Was der da an Wand in seinem kleinen Magen gehabt haben musste…
Spannend und bezeichnend war Wilsons erstes Treffen mit dem Flat Coated Retriever Rüden meiner Eltern. Man ist ja etwas nervös bei so einer Zusammenführung, denn den Welpenschutz gibt es bekannter weise eben nicht, sondern der Welpe schützt sich durch sein devotes Verhalten erwachsenen Hunden gegenüber selbst. Der kleine Agrozwerg hatte das allerdings in seinen ersten 9 Wochen anders gelernt und meine Befürchtungen wurden bestätigt, als er dem riesigen schwarzen Hund zur Begrüßung umgehend in die Nase biss.
Der lammfromme Finn wehrte sich allerdings leider, so frage ich mich jedenfalls manchmal, nicht sondern zog den Schwanz ein und schlich unsicher von dannen, mit so einem gibt es nur Ärger, dachte sich der kluge Finn mit Sicherheit.
Dadurch hatte Herr Wilson mit nur 10 Wochen seinen ersten Triumph erzielt und so gar nicht gelernt, wie man sich richtig benehmen sollte. Mir war jedenfalls damals schon klar, dass hier der Wolf im Schafspelz Einzug in unsere erweiterte Familie gefunden hatte.