WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 30

von Mira Berghöfer

GRÖSSENWAHN

Unlängst bin ich während eines durch akute Prokrastination bedingten Internetstreifzuges auf eins dieser lustigen Tiervideos gestoßen.

Zu sehen waren riesige Hunde, die wohl durch eine leicht verzerrte Selbstwahrnehmung glaubten, die Größe von Schoßhunden zu haben. 
Monströse Bernhardiner, Doggen oder Wolfshunde versuchten verzweifelt auf den Schössen ihrer nicht minder verzweifelten Besitzer Platz zu nehmen. Diese Hunde waren sich über ihre körperlichen Ausmaße so ganz und gar nicht bewusst, was mich direkt an meinen Müdi denken ließ, wobei er da eher das umgekehrte Problem zu haben scheint…
Ich glaube nämlich, dass das Müdi denkt, er hätte in echt mindestens die Größe eines Rottweilers und wenn nicht das, dann in jedem Fall dessen Muskelmasse. Vermeintlich könnte dieser Trugschluss dadurch bedingt sein, dass mein Tier für einen reinrassigen Australian Shepherd mit edelstem Stammbaum etwas klein geraten ist. B-Ware möge man meinen, denn mit einem Stockmaß von 48 cm erreicht er nach den VDH Rasserichtlinien mit Ach und Krach die Risthöhe eines Weibchens (https://www.vdh.de/welpen/mein-welpe/australian-shepherd). Ich frage mich, ob er sich über diese fehlenden 10 cm bewusst ist und er sie aus Scham vielleicht deswegen durch seinen besonderen Charakter auszugleichen sucht.

 

Eine schöne Geschichte, die Wilsons gestörte Selbstwahrnehmung und auch den damit verbundenen Größenwahn illustriert, ist mir zwar nicht selbst passiert, aber zu schön, um sie hier nicht nachzuerzählen. Dies auch, weil – recht eindrücklich – zugleich eine andere Fertigkeit des Herrn Wilson veranschaulicht werden kann: Er ist nämlich nicht nur größenwahnsinnig, sondern auch ein mehr schlechtes als rechts Schauspieltalent. Den ein oder anderen mag diese Verquickung von Eigenschaften vielleicht an einen gewissen Kaiser denken lassen, dem angelastet wird, 64 v. Chr. Rom angezündet zu haben. In die Geschichtsbücher ging er überdies aufgrund seiner wahllosen Morde, seiner Selbstdarstellung und Eitelkeit ein…nun sollte auch jedem klar sein, warum

Streichhölzer in meinem Haushalt für Müdis unzugänglich aufbewahrt werden.

Jedenfalls trug es sich unlängst zu, dass des HundeWerk.net’s verrücktestes Müdi, als es noch keinen Maulkorb trug, dann und wann mit Hunden aneinandergeriet, die sich seiner unwürdig verhielten, oder einfach nur existierten, obwohl er selbst einen schlechten Tag hatte. So knöpfte sich mein Mistkerl in einer Gruppe des BasisWerks einen Hund vor, der sich nicht an seine willkürlich erdachten Gesetze gehalten zu haben schien. Die Auseinandersetzung war zwar kurz und konnte sofort durch Sonja unterbunden werden, die anderen Teilnehmer waren allerdings geschockt. Immerhin hatte sich das Müdi mit einem jungen Cane Corso (https://www.vdh.de/welpen/mein-welpe/cane-corso) angelegt.

Indiz a: Größenwahn, selbst wenn dieses Exemplar noch jung und sich dessen nicht bewusst war, eigentlich sollte ein Hund in Müdigröße einen Kampf mit einem Hund dieses Kalibers nicht provozieren.

 

Wie wir nun alle wissen, ist Herr Wilson eigentlich nicht blöd und wusste auch in diesem Kontext ganz genau, dass seine Entscheidung sich auf den armen Hund zu stürzen nicht die Brillanteste gewesen war. So schleppte er sich, bewusst über die Möglichkeiten, die ihm die rassebedingte Stigmatisierung seines Kontrahenten einbringen konnte, weinend aus dem Kampf. Begleitet von den erschrockenen, mitleidigen Worten und Zusprüchen der Kursbesucher, die den Schuldigen in seinem doppelt so großen Gegenspieler wähnten. Sonja kennt das Müdi dankenswerterweise sehr gut und lies sich auch nicht irritieren, als Wilson ächzend und schmerzerfüllt wimmernd in einiger Entfernung zusammenbrach, sondern kümmerte sich um sein völlig überrumpeltes und überdies verletztes Opfer. „Einfach ignorieren, das meint der nicht ernst.“, konnte sie den Teilnehmern versichern. Geschockt über die ausbleibende Anerkennung ob seiner Leistung im Ring oder eben des sich anschließenden Schauspiels, rappelte sich das Müdi nach wenigen Sekunden auf und bestätigte Sonjas Verdacht. Indiz b: schlechtes Schauspieltalent.

 

Mittlerweile macht mir sein Größenwahn jedoch etwas mehr Sorge. Wenn der nun mit dem Maulkorb mal aus Versehen doch einen Hunderaudi anpöbelt, bin ich es schließlich, die versuchen muss, ihn aus dessen Fängen zu befreien. Wollen wir hoffen, dass das Tier doch schlauer als wahnsinnig ist, und sich seiner neuen Einschränkung ob des Maulkorbs bewusst ist. Sonst bleibt ihm nichts anderes übrig, als irgendwann zu hauchen: „Welch‘ ein Künstler geht mit mir zugrunde.“ *

 

* Um meinem wissenschaftlichen Anspruch gerecht zu werden, muss ich anmerken, dass dem römischen Kaiser Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus diese seine letzten Worte fälschlicherweise zugeschrieben wurden.