ANTJE HACHMANN - DAS INTERVIEW

von Super User

Antje Hachmann, Holi Dogs, Arschlochhund

Antje Hachmann – Fotografin, Autorin, Entwicklerin, Managerin, Mutter, Hundehalterin

Liebe Antje, wir haben Dich über ein Fotoprojekt kennengelernt. Du bist Fotografin, mittlerweile auch Autorin, betreibst erfolgreich den Blog „Arschlochhund“ und entwickelst sinnvolle Nahrungsergänzungsmittel für Hunde. Ach ja, einen „normalen“ 41 Std. Job hast du auch noch, bist alleinerziehende Mutter und stolze Besitzerin von zwei großkalibrigen (Arschloch-) Hunden.

 

HundeWerk.net: Habe ich etwas vergessen?

Antje Hachmann: Ja, mich! Neben allen Dingen, die mir meinen Alltag breichern, mache ich auch eine Menge für mich. Alleine daraus kamen und kommen die Dinge, die ich dann umsetze. Sei es die Fotografie oder das Schreiben (unter anderem auch wissenschaftlichen Kram), Profiling für Hundehalter oder oder oder…. Das ist schwer zu verstehen im ersten Moment. Vielleicht hilft da eines meiner berühmt-berüchtigten Beispielbilder: Es gibt viele Menschen, deren Leben ein wenig so aussieht als ob sie die Bontempi-Orgel in einer Einrichtung für ältere Menschen spielen. So ein wenig Fahrstuhlmusik, nichts passiert außerhalb von Routinen und der eigenen Komfortzone.
Für mich war und ist mein Leben (und ich selbst) mehr als Sängerin einer Vorband zu sehen. Eine, die mal rasch vor einem riesen Publikum ungeplant auftreten muss. Man geht auf die Bühne, nimmt das was man kann und liebt, geht über eigene Grenzen und rockt das Ding. Nebenher und im Auftritt erkennt man, dass man vielleicht auch mal an der Gitarre eine gute Figur macht. Dieses Gefühl, diesen Mut einfach Dinge zu tun, ob nun bejubelt oder ausgebuht, nehme ich um eben die Dinge zu tun, die ich mache. Übrigens auch die „schlechten“ – ich bin ein großer Fan des Scheiterns. Fehler, wenn sie denn so gut sind, dass man daraus lernen kann, bereichern mein Leben. Klingt auch erst einmal etwas schräg, ist aber ein wundervoller Weg. Steinig und nicht immer einfach, aber wer will das schon?
Für mich greifen alle Dinge in einander – ich tue das, was ich gerne mache. Daraus folgen dann alle Projekte, die ich verfolge.

 

Kennst Du das Wort „Langeweile“?

Nein! Sollte ich einmal in die „Verlegenheit“ kommen, nichts zu tun, mache ich das mit großer Leidenschaft. Meine Lebenszeit ist mir wichtig, egal ob ich beschäftigt bin oder nicht.

 

Wie bist Du auf den Hund gekommen?

Hunde spielten schon immer eine Rolle in meinem Leben, ob ich nun wollte oder nicht. Angefangen hat es mit dem ersten Dackel der Familie, der einzog als ich drei Jahre alt war. Als dieser verstarb mit 15 Jahren, kam kurze Zeit später wieder ein Dackel ins Haus. Meine Mutter ist seit Jahren schwer krank – für sie und uns war der „Hund“ in der Familie immer ein wichtiger Anker. Mein erster Hund war übrigens derjenige, über den ich bis heute am liebsten schreibe: der Galgo Espanol „Gomez“. Er hat in meinem Leben eine sehr wichtige Rolle gespielt und, wie die Dackel bei meiner Mama, mir sehr oft geholfen, „weiter“ zu machen. An ihm habe ich so viel gelernt. Vor allem, dass man keine gelben Müllsäcke in den Mülleimer packen sollte. Das war sein Lieblings-Frustessen und ausgekotzt auf den Teppich ein ständiges Mahnmal an meine (von ihm kritisierte) Unfähigkeit, seine wahre Stellung zu erkennen. Das Vieh war leicht größenwahnsinnig. Und nebenher mein Seelenhund – auch wenn ich ihn oft erwürgen wollte.

 

Als Fotografin realisierst Du verschiedene Projekte, eins sticht besonders hervor: Holi-Dogs. Kannst Du kurz beschreiben um was es dabei genau geht?

Bei den Holi Dogs fotografiere ich Hunde, die ein buntes „Pulver“ (nicht gesundheitsschädlich, ich habe es lange an mir selbst ausprobiert) im Fell tragen. Je nach Hund und Bewegung entstehen hierbei sehr außergewöhnliche und fröhliche Bilder unserer Vierbeiner. Etwas völlig anderes im Feld der Hundefotografie. Für solche Shootings ist allerdings auch viel Erfahrung und Feingefühl im Umgang mit den Hunde-Models vonnöten. Auch hier halte ich meinen unerschütterlichen Vorsatz (der übrigens für alle meine Shootings gilt): Wenn ein Hund Stress zeigt, wird das Shooting abgebrochen.
Bilder mit gestressten Hundegesichtern gibt es leider zu viele, das möchte ich einfach nicht. Ich baue die Shootings immer direkt so auf, dass die Models immer die Möglichkeit haben, auszuweichen. Abbrechen musste ich bisher nur ein einziges Shooting – und da war es einfach zu warm für den Hund.


Wie ist es zu dem Holi Dogs-Projekt gekommen?

2013 bekam ich den Auftrag, Listenhunde einmal völlig anders abzulichten. So, dass man diese nicht als „gefährlich“ oder medial abgestempelt als „schlecht“ wahr nimmt. Das war natürlich eine große Aufgabe – wie mache ich so etwas? Und vor allem: wie setze ich diesen Auftrag auch mit Tierheim-Hunden um?
Nach einiger Recherche im Internet stieß ich auf das Tihar Fest in Nepal. Die Hindus erklären an diesem speziellen Tag den Hund zum König – egal ob dieser auf der Straße oder in einer Familie lebt. Dieser Tag ist der Kukur Tihar. Die Hunde werdem mit Blumengirlanden geschmückt und ihnen werden mit rotem Pulver sogenannte „Tikas“, hinduistische Segenszeichen, aufgemalt. Das fand ich einfach super – und fing an zu probieren, wie ich dieses hier umsetzen konnte. Nach einigen Wochen konnte ich dann die ersten Testbilder machen, hatte das „richtige“ Pulver gefunden (originales aus Nepal/Indien ist teilweise mit Giftstoffen versehen, das kam überhaupt nicht in Frage) und konnte nach den ersten Ergebnissen diese dann dem Auftraggeber präsentieren.
Daraus wurde ein Kalender in zwei Editionen – einmal nur „Listenhunde“ und einmal Hunde aller Rassen. Die Auflage beider Editionen war innerhalb weniger Tage ausverkauft und die Bilder haben ihren Weg bis auf eine große amerikanische Plattform gefunden. Einige wurden sogar von Pixum, einem großen Anbieter für Fotoprodukte, für einen Online-Kunstshop gekauft.
Seitdem biete ich diese Shootings an – mit wachsender Begeisterung und nicht nur in Deutschland.


Dein Blog „Arschlochhund“ ist letztes Jahr unglaublich schnell populär geworden. Sehr schnell folgte das Buch. Hast Du damit gerechnet?

Überhaupt nicht! Eigentlich wollte ich meinem persönlichen Frust nur mal etwas Luft machen. Außerhalb derer, die meine Gedanken eh schon kannten. Dass es aber so vielen anderen auch so geht – und mir auf der Facebookseite so viel Rückmeldung gaben – hätte ich nicht erwartet. Und es beruhigt ungemein, dass man mit seinem Scheitern am Hund nicht alleine ist! Genau dieses Gefühl entspannt ungemein muss ich sagen. Das Gefühl, nicht alleine zu sein mit den Problemen der Hundehaltung. Im Internet wird der Hund ja fast immer als liebevolles und gottgleiches Wesen dargestellt – aber was ist, wenn der Hund an einem Tag einfach nur ein Arsch ist? Da bin ich froh, dass es nicht nur mir so geht. Das haben mir meine Fans mehr als deutlich gezeigt und da bin ich mehr als dankbar für!

 

Warum glaubst Du sind diese Erzählungen so erfolgreich?

Ich bin ehrlich und erzähle wie ich mich fühle. Und das in ziemlich „harten“ Worten zu mir selbst, mit meinem recht schwarzen Humor. 
Vor allem aber suche ich die Fehler, die unweigerlich diversen Situationen im Hundehalter-Alltag vorauseilen. Was vielleicht den größten Unterschied zu anderen Blogs macht: Ich habe und werde nie „lästern“. Ich erzähle von meinen Erfahrungen und Gedanken und nehme mich nicht ernst. Natürlich habe ich eine Meinung zu diversen Dingen. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass man offen bleiben sollte für andere Meinungen und Handlungen. Es gibt für alles einen Grund. Das hört sich jetzt auch pathetisch an, ist aber meine Erfahrung. Der eigene Weg ist nicht immer der beste. Wäre es so, würde es meine Geschichten nicht geben, alles würde gleich laufen und meine Hunde immer „funktionieren“. Da ich – und alle anderen auch- aber nun mal ein Lebewesen mit Stimmungen, Kognitionen und Charakter bei mir habe, funktioniert halt nicht immer alles. Meine Hunde werden von mir geliebt, aber ich könnte sie auch täglich mindestens einmal auf den Mond schießen. Ich denke, dass jeder einmal solche Gedanken hat. Ich persönlich finde Menschen schlimm, die nur aufgrund einer Seite einer Geschichte, eines Vorkommnisses oder einer Handlung direkt urteilen. Genau das habe ich leider oft bei „Trainern“ von Hunden erlebt, wovon mir der eine oder andere wirklich das Zusammensein mit meinen Hunden (oder wahlweise Menschen diesen Schlages) vermiest hat mit seiner Einstellung. Ist es nicht im Grunde wunderbar, dass die Tölen uns die Möglichkeit geben, uns weiter zu entwickeln? Auch wenn ich zum zehnten Mal die Kotze vor dem Bett weg wische kann ich das mit Humor machen. Wenn einer meiner Hunde an einem Tag wild brüllend und „I kill you!“ schreiend auf einen anderen los gehen will, ist mir das in erster Linie erst mal peinlich. Man hat den Köter ja nicht im Griff. Tiefer gesehen (und später, wenn man wieder in der Sicherheit der eigenen Wohnung ist) fallen mir aber eben oft Dinge auf, die so ein Verhalten begründen. Und oft liegt es einfach an mir selbst. Wenn ich nicht exakt das tue, was ich will, wird mich weder ein Hund noch ein Mensch für voll nehmen. Und genau deswegen denke ich, dass meine Erzählungen so erfolgreich sind. Ich suche nach dem Fehler im System – und zwar nicht unbedingt beim Hund, sondern bei mir. Und finde meine Fehler und Unzulänglichkeiten dazu noch höchst amüsant – bei manchen Situationen halt erst später. Der typische deutsche „Bierernst“ ist nicht so mein Fall.

 

Arschlochhund von Antje Hachmann

 

Wird es ein weiteres Buch geben?

Ja, ich arbeite bereits am zweiten Band. Und ein weiteres ist auch schon auf der Festplatte – da tobe ich mich im emotionspsychologischen Bereich der Hundehalter – und Trainerwelt ein wenig aus. Man darf gespannt sein!

 

Dieses Jahr hast Du maßgeblich an der Entwicklung eines Futteröls (Sumo Plus) mitgewirkt. Was war der Auslöser?

Wie so oft – der eigene Hund. Mein Rüde hat starke Arthrose und leidet im Alter an Muskelschwund. Das ist nicht unbedingt selten, trägt aber bei Arthrose eben noch zur Schmerzhaftigkeit bei. Die Muskulatur ist ein wichtiges „Korsett“ der betroffenen Gelenke.

 

Was ist die Idee hinter dem Öl?

Die generelle Idee ist nicht neu. Reiskeimöl wird schon lange im Bereich des Pferdesports zum Muskelaufbau eingesetzt. Neu ist allerdings die Zusammensetzung und Optimierung speziell auf die Bedürfnisse der Hunde. Durch die Zusammenarbeit mit der Firma Horsa und meiner Wegbegleiterin Gabriele Tischler konnten wir meine Idee, aufeinander aufbauende Präparate in einem Produkt anzubieten, sehr erfolgreich umsetzen. Die Testreihen mit meinen und anderen Hunden waren überwältigend.

 

Was sind Deine eigenen Erfahrungen?

Ich bin begeistert und meine Erfahrungen wurden übertroffen muss ich sagen. Mein Rüde ist eigentlich ein Zusatzmittel-Verweigerer. Das war mein erstes Problem, Er hat das Öl allerdings ohne murren mitgefressen und baut sogar inzwischen Muskulatur auf – das ist mehr als ich zu hoffen gewagt habe.

Ich war aber auch nicht untätig nachdem das Sumo Dog auf dem Markt war (wer hätte das gedacht). Mir fehlte ein weiterer Baustein für ihn und andere von Arthrose betroffenen Hunden. Auch hier haben wir wieder getüftelt und ich bin nun wahnsinnig stolz, ein weiteres Produkt mitentwickelt zu haben, was deutliche Wirkung bei allen gezeigt hat, die am Test teilgenommen haben. „Liquiflex“ ist eine neue, aufeinander abgestimmte Kombination aus im einzelnen bewährten Futterzusätzen, die bei Athrose gefüttert werden können. Hier bin ich wirklich mehr als stolz drauf – es war ein längerer Weg genau diese Zusätze optimal in einem Produkt vereinen zu können. Da muss ich mal ein dickes Danke an die anderen Beteiligten sagen, die an meine Idee geglaubt haben!

 

Jetzt noch mal was privates. Bei diesen ganzen Projekten und gefühlten 48 Std. Tagen Hast du überhaupt noch Freizeit?

Das Schöne an dem Ganzen ist – vieles von dem, was ich tue, ist meine Freizeit. Ich habe das unglaubliche Glück Dinge zu tun, die ich sehr gerne mache und für mich keine „Arbeit“ im eigentlichen Sinne sind. Mein Kopf steht fast nie still und das ist auch gut so – denn so kommen viele Ideen erst mal zutage.

 

Wie kommst Du zur Ruhe?

Das ist völlig unterschiedlich. Ich schaue eigentlich immer, was mein Bauchgefühl mir gerade sagt. Natürlich gibt es einen Menschen, den ich nicht nur sehr liebe – bei ihm kann ich hervorragend zur Ruhe kommen. Oder ich packe Hunde und meinen Krempel in mein Auto und fahre weg. Zum Klettern, in die Berge, an einen See. Einfach raus und alles wird abgeschaltet. Das tut nicht nur mir gut – auch den Hunden kommt es zugute. Wir schlafen dann noch enger zusammen und genießen „unsere“ Zeit im Off.

 

Liebe Antje, vielen Dank für das Interview.