Wilson - Der Anti Aussie
WILSON – DER ANTIAUSSIE – TEIL: 14
- von Mira Berghöfer
JUGENDSÜNDEN DIE ZWEITE
In jeder Klasse gab es diesen Rüpel. Ein Kind mit blauen Flecken und aufgeschürften Knien vom rumtoben, das nur Unsinn im Kopf hatte, laut und frech war und andauernd Ärger wegen des von ihm verzapften Unfugs am Hals hatte.
Ich habe mich damals bei unserem Klassenrüpel schon immer gefragt, wie sich wohl die Eltern eines solchen Kindes fühlen mussten, wenn sie andauernd wegen dessen schlechten Benehmens Stress mit anderen Eltern, Lehrern und was weiß ich nicht, wem alles hatten. Nun ja, nachdem das müdische Jungtier bei uns Einzug gehalten hatte, bilde ich mir zumindest ein es ansatzweise nachvollziehen zu können. Ein kleiner Rüpel in flauschig weichem Welpenfell.
Sich an alles zu erinnern, was der Herr in seinen jungen Jahren angestellt hat und wofür ich mich alles schämen, den Hund entschuldigen, mich entschuldigen oder Dinge reparieren musste, ist kaum möglich. Seine Zerstörungswut war unbändig und konnte beim besten Willen nicht mit seinem Zahnwechsel entschuldigt werden.
Seiner Zähne entledigte sich Herr Wilson nämlich gerne auf andere Weise. Unvergesslich bleibt das Bild, als er sich auf einer unserer Runden mal wieder mit einem ausgewachsenen Schäferhund angelegt hatte und dieser ihn über die Waldwege jagte. Auch heute ist es noch so, dass Wilson ganz schön schnell über Wald, Weg und Wiesen rennen kann, wenn er will und jemand ihn jagen möchte. Da mag man kaum hinsehen, wie er Bäumen in letzter Sekunde ausweicht und abrupt bremsen muss, wenn andere Hindernisse seinen Weg blockieren. Damals war er bei Weitem noch nicht so geschickt. So bremste er nach einem waghalsigen Sprung von einer Böschung auf den Weg kurzerhand mit dem Gesicht – super Idee. Das gab dann nämlich erstmal Tränen. Ist nämlich auch so eine Sache für sich. Raufen, Spielen und Prügeln kann er, aber sobald er in irgendeiner Art verletzt wird, fängt er an zu heulen und kriecht mir auf den Schoß. Da kann er sehr leidend sein. In diesem Falle hatte er sich allerdings ein wenig Trost verdient, denn das musste weh getan haben. Als ich mir sein Gesicht ansah, hatte er es vollbracht, sich die komplette untere Zahnreihe auszuschlagen.
Er tut ja dann so, als müsse er sterben und als nicht sonderlich erfahrene Müdibesitzerin bin ich dann doch lieber vorsichtig gewesen, habe mir mein Bündel geschnappt und ihn dem Tierarzt vorgestellt. „Was hat er denn jetzt wieder angestellt?“, kam die belustigte Frage direkt zu Beginn. Wer mag es ihr verdenken bei der Anzahl von Schürfwunden, Bauchschmerzen (ich erinnere an gefressene Batterien) und Infekten, die sich das Tierchen in den ersten Lebenswochen eingefangen hatte. „Gucken Sie ihm einfach ins Gesicht. Ich will nur wissen, ob er es überlebt.“, musste ich resigniert antworten. Als Reaktion brach sie dann in Gelächter aus und musste zugeben, dass ihr das noch nicht untergekommen war. Aber alles ok, waren ja nur die Milchzähne. Wuchs auch alles schön nach (nach einiger Zeit). Aber wer denkt, dass ihn das daran gehindert hätte, Dinge zu fressen und zu zerstören, irrt. Ich glaube, Müdi sah das eher als Herausforderung an. Training fürs Alter, wenn die Zähne ausgefallen sein werden und dennoch maximale Nahrung in ihn hineingeschaufelt werden muss.
„Ein ganz schönes Energiebündel haben Sie sich da ins Haus geholt.“, meinte meine Tierärztin zum Schluss. Hm, wenn ich da heute so drüber nachdenke, wenige Tage vor dem achten müdischen Geburtstag kann ich gar nicht ausdrücken, welch Fehldiagnose sie da gestellt hatte.