WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 27

von Mira Berghöfer

URLAUBSFIEBER

„Mein Hund merkt schon Tage im Voraus, dass wir in den Urlaub fahren werden.“ Solche Geschichten hört man als Hundebesitzer in seiner Umgebung immer wieder.

Unruhe, Irritation und merkwürdiges Verhalten treten bei unseren Vierbeinern auf, wenn Koffer gepackt, letzte Erledigungen unternommen und je nachdem noch kurze Telefonate mit der Hundepension des Vertrauens geführt werden. Wir sind nervös, freuen uns auf die bevorstehenden Wochen oder Tage, sind aber auch gestresst, denn es gibt ja doch so einiges zu erledigen. Dann tun wir auch noch Dinge, die wir sonst nie tun, wie verstaubte Koffer vom Kleiderschrank wuchten, Autos mit Dachgepäckträgern versehen, Strandmatten auslüften, den Kühlschrank leer essen oder Zelte aus dem Keller kramen. Dass sich die Hunde über dieses untypische Verhalten wundern, sollte uns eigentlich nicht erschrecken.

 

 

Bei (m)einem Müdi verhält sich das ganz ähnlich – ungewöhnliche Dinge findet er schließlich gruselig. Als Meister des Erschnüffelns meiner emotionalen Verfassung, gelingt es ihm mit Leichtigkeit die Unruhe der offenen ToDos ob eines herannahenden Urlaubs oder aber auch eines wichtigen Termins bei der Arbeit (so klug scheint er also doch nicht zu sein) zu erfassen. Einmal wahrgenommen wird das gewohnheitsliebende leicht autistische Tierchen dann anstrengend. Er schläft wenig, ist immer munter und stets an meiner Seite. Nicht, dass man ihn vergessen könnte. Das Universum des Besitzers sollte sich schließlich immer und ausschließlich um den eigenen Müdi drehen und nicht um persönliche Belange anderer Natur. Wo kämen wir denn dann auch hin?! Den größten Stressfaktor muss dabei wahrscheinlich, so meine naheliegende Vermutung, der sich leerende nicht wieder aufgefüllte Kühlschrank darstellen. Den hat er schließlich immer im Blick. Ahnungslose könnten da ja ausversehen Leckereien herauspurzeln lassen und wenn das Ding leer ist, kann da halt auch nichts mehr purzeln. Nach den jüngsten Erfahrungen musste ich diese Theorie jedoch endgültig verwerfen. Da steckt doch mehr in dem schwarz-weißen Köpfchen als ausschließlich die Furcht vor dem Verhungern.

 

Verifizierte Theorie ist nun, dass er unterscheiden kann, ob ich plane mit oder ohne ihn in den Urlaub zu reisen und er sein Verhalten je nach Sachlage anpassen kann. So zeigt das Müdi das natürliche nervöse Hundeverhalten, wenn er mitkommen darf. Dann ist er voller Vorfreude, welche sich ganz unmüdilike in stets und ständig putzmunterem Verhalten äußert. Seine wichtigste Aufgabe sieht er selbst darin, darauf zu achten, dass auch ja nicht irgendetwas vergessen wird. Herzensangelegenheiten neben ausreichend Nahrung sind: Ein eigener Wassernapf—eklig, wenn diese in Ferienhäusern bereits von anderen Hunden genutzt wurden, eine Decke – um sie auf das Ferienhaussofa und bei Bedarf auch aufs Bett zu legen, ist ja Urlaub da will ein Müdi sich was gönnen und bei mir im Bett nächtigen und last, but not least das Moorhuhn – ohne das fährt er nicht weg, könnte ja geklaut werden, während er abwesend ist und (aber sprecht ihn bitte nicht drauf an, ist ihm etwas unangenehm) er hat halt nachts ganz gerne was zum Kuscheln gegen Alpträume. Eigentlich ganz niedlich würde man meinen. Wobei der Zirkus, den er veranstaltet, wenn wir dann gemeinsam unterwegs sind und alles anders läuft, als der Herr es gewohnt ist eine eigene Geschichte in der Rubrik: Müdi das Gewohnheitstier wert ist.

 

Weniger niedlich ist es, wenn er Wind davon bekommt, dass es ohne ihn auf Reisen geht. Wie zuletzt bestätigt, kann er das wirklich unterscheiden. Vielleicht checkt er heimlich mein Emailpostfach und schaut nach, ob in der gebuchten Ferienunterkunft Haustiere erlaubt sind? Oder wird schon bei den Geräuschen der einschlägigen Flugbuchportale misstrauisch? Ich weiß es nicht, er bekommt es jedenfalls irgendwie mit und dann wird es weniger lustig. Mein kleiner Hundefreund wird dann nämlich jedes Mal auf unergründliche Weise krank, und zwar so krank, dass es für mich immer fraglich ist, ob ich überhaupt in den Urlaub fahren kann. Ich mache mir schließlich auch Sorgen und will Sonja keinen ansteckenden, leidenden, mies gelaunten Müdi aufs Auge drücken müssen. Von aufgerissenen Pfoten (Selbstverstümmelung), Bissverletzungen (wer hatte den Streit wohl angefangen?) über Fieber sowie Durchfall und Erbrechen, war schon alles dabei. Jedes Mal schafft er es letztlich, das ich mit ihm kurz vor der Abreise zum Tierarzt renne und meine Urlaubskasse stark geschmälert wird. Dann nach mindestens zwei ungewissen Tagen und Nächten des Überlegens, des Pfötchen- Haltens und des Sondierens der Reisestornierungsbedingungen, habe ich mich bisher aber immer dazu entschieden, doch zu fahren. Großen Anteil daran haben mein Vertrauen auf die sichere Unterbringung meines Tierchens und außerdem meine stetig wachsende Müdierfahrung. Denn und wer hätte es anders gedacht, sobald er bei Sonja in der Hunde-WG angekommen ist, erfolgt die Wunderheilung. Will schließlich vor denen nicht so wirken, als hätte er Heimweh nach mir.

 

Was man ihm zugestehen muss: Er schafft es immer meine Vorfreude auf den müdilosen Urlaub zu schmälern. Denn ich denke immer, dass es dieses Mal ja was Ernstes sein könnte … das nennt man dann wohl die Rache des kleinen Müdi. Warum sollte die Besitzerin auch ohne einen Müdi Spaß haben? Eigentlich untypisch, denn man würde doch meinen bei seiner Selbstüberschätzung, würde er davon ausgehen, dass echter Spaß ohne ihn sowieso kaum möglich sei. Oder ist es doch die Angst davor, dass ich irgendwann zu der Einsicht komme, ein müdiloses Leben sei eine deutlich entspanntere Option?