Wilson - Der Anti Aussie
WILSON – DER ANTIAUSSIE – TEIL: 43
- von Mira Berghöfer
DIE UNSICHTBARE GRENZE_TEIL 1
Die nicht unbeträchtliche Fülle an Feiertagen im Mai und Juni lädt ja geradezu ein, einen kleinen Kurzurlaub zu planen - ein bisschen abzuschalten und zu verschnaufen vom Alltagsstress und einfach mal was anderes zu sehen.
Für uns Menschen eine willkommene Abwechslung, für einen Müdi der blanke Horror (nachzulesen in: #27 Urlaubsfieber)
Dennoch haben wir es wieder gewagt, die Tasche samt aktueller Top-1 auf der Müdis-liebstes-Kuscheltier-Liste (einem riesigen, sehr schweren Nilpferd, dessen eigentliche Verwendung als Türstopper sich schon ab Tag eins erübrigte) gepackt und uns in Richtung Pfälzerwald aufgemacht. Ungewöhnlicherweise hat das Packen dieses Mal sogar recht gut geklappt. War nämlich alles sehr spontan und dem Tier war es so nicht möglich, sich kurzfristig noch schwere Krankheiten aus dem Fell zu schütteln, die eine Abreise hätten hinauszögern oder gar verhindern können. Auch die plötzliche Magen-Darm-Erkrankung auf dem Weg blieb aus. Tier schlief den Schlaf der Gerechten und verhielt sich verdächtig vorbildlich. Ganz schön geschickt waren wir da, ihn einfach so zu überrumpeln, oder?
Nein! Wir Menschen sollten uns niemals über derartiges Verhalten eines Müdis freuen. Es hat immer einen Grund und meist ist es eher die Ruhe vor oder vielleicht auch nach dem Sturm, dessen Schäden man bis dato noch gar nicht genau absehen konnte. Oder ein trügerischer Frieden, den er dazu nutzt sich neue finstere Pläne auszudenken, die er dann ab September jeden Tag verfolgen kann, um mich persönlich in den Wahnsinn zu treiben…
Ich gebe zu, vielleicht bin ich ein bisschen paranoid, aber es ist schon zu viel passiert.
In diesem speziellen Fall vermute ich allerdings, ist die vermeintliche Gelassenheit bezüglich unserer Reise darauf zurückzuführen, dass Herr Müdi seit dem Einzug eines gruseligen kleinen Welpentiers bei Sonja, grundsätzlich sehr erschöpft ist. Ich habe ja den Verdacht, dass er, egal welche Aktivität er mit uns ertragen muss – von Wanderungen bis zu Tierarztbesuchen, immer einfach nur dankbar ist. Dankbar dafür, dass er bei der Heimkehr nach der arbeitsintensiven Woche bei Sonja, in unserem Haus nicht plötzlich auch ein beige-weißes gespenstisches Hundewesen vorfindet. Vielleicht ist seine Demut uns gegenüber daher aktuell wahrhaftig und wir sollen sie annehmen? Außerdem hatte er noch neben dieser chronischen Erschöpfung unter meinem persönlichen Groll aufgrund einer (wenn vielleicht auch im Grunde angebrachten doch mal wieder total überzogenen) Erziehungsmaße gegen besagtes Hundekind zu leiden. Wobei sich mein Groll in einem Hagel von Kommandos manifestiert, die dann bitteschön auch ganz genau eingehalten werden sollten.
Nun ja, in der wunderschönen Pfalz angekommen, genoss das Tierchen trotz unseres Zwists doch tatsächlich unseren Urlaub. Man kann es wirklich nicht anders sagen. Die Wanderungen wurden begeistert angetreten, bunte Sandsteinfelsen mit dem Ahnungslosen erklommen und sogar dunkle Kerker von Burgen inmitten einer großen Besuchergruppe inklusive tausender Kinder todesmutig und vorbildlich ertragen. Auch wenn er uns während der Führung mal wieder zum Gesprächsthema Nummer eins machte… Das gefährlichste Maulkorb tragende Untier rollt sich in einer Mauerecke zusammen, guckt mit den traurigsten Hundeaugen der Welt in die Runde und schläft friedlich mit dem Kopf auf dem Fuß der Besitzer ein. Die Teilnehmer waren entsetzt, dass ein so friedfertiges Wesen mit so grausamen Besitzern geschlagen war, die es nur zu ihrem persönlichen Vergnügen in seiner Freiheit beschnitten. Das Müdi quittierte dieses Entsetzen mit einem selbstgefälligen aber auch schlaftrunkenen Brummen. Sind wir ja mittlerweile gewöhnt, aber er schein diese Aufmerksamkeit immer wieder zu genießen…
Es hätte ein entspanntes Wochenende werden können. Doch leider überschritt der Herr eine unsichtbare Grenze und nein, keine meiner unsichtbaren Grenzen. Diese sind nämlich mittlerweile alle gut ausgelotet und im müdischen Register feinsäuberlich verzeichnet, um in regelmäßigen nicht berechenbaren Abständen überschritten werden zu können. Es war eine Grenze des Ahnungslosen und dies führte tatsächlich erstmals zum Streit, der nur mit Müh und Not sowie ganz viel gutem Zureden von meiner Seite aus wieder geschlichtet werden konnte…