WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 42

von Mira Berghöfer

ÄRZTEMARATHON

Wenn man nichts Besseres zu tun hat, verbringt man also seine spärliche Freizeit mit dem Müdihund beim Tierarzt.

Bevor ich vom Übelsten ausging, dachte ich an das Naheliegendste und am wenigsten Beängstigendste – eine Infizierung mit Giardien. Man erinnert sich in beiden Teilen des müdischen Zuhauses mit Schrecken an die Phase apathischer Verstörtheit, die eine nicht allzu lang zurückliegende Infizierung mit den fiesen Parasiten beim Herrn Müdi hervorrief. Auch die Abgeschlagenheit und der Gewichtsverlust hätten sich gut in das Bild des leicht zu behandelnden Übels eingefügt. Eine Tablette und gut, deswegen war ich sogar fester Hoffnung, dass der bevorstehende Test positiv ausfallen würde. 

Kotproben wurden alsdann, wie vom Tierarzt gewünscht, über drei Tage gesammelt und luftdicht in Gläschen verschraubt. Und so machten sich das Tier und ich an einem sonnigen, schönen Sonntag bewaffnet mit den Proben auf gen Düsseldorf zur Tierärztin des Vertrauens, die neben ihren wahnsinnig patientenfreundlichen Öffnungszeiten dankenswerterweise seit unserer letzten Stippvisite Müdi die Mimonse umgezogen war! Das Müdi konnte somit aufgrund der Umgebung keine Rückschlüsse auf unser Ziel ziehen und ich konnte mir dadurch wiederum das panische Gezeter des Müdis im Auto ersparen. 

Diese heimtückische Irreführung meinerseits, lies der Hund aber selbstredend nicht auf sich sitzen und erfreute die Patienten des übervollen Wartezimmers mit seinen schlimmsten Jammergesängen, sobald wir die Schwelle der Praxis übertreten hatten und er realisierte, wo wir waren. Man könnte meinen, dass sein kaum nervtötendes Verhalten etwas damit zu tun gehabt haben könnte, dass man uns, nachdem ich der Dame an der Rezeption brüllend und das Müdi übertönend mein Anliegen unterbreitete, anbot während der 45 Minuten Wartezeit auf das Ergebnis des Labors, gerne im Auto zu warten oder alternativ einen Spaziergang zu machen. 

Als ich nach besagter Wartezeit die negativen Testergebnisse entgegennahm, ließ ich das Müdi vorsichtshalber im Auto. Wir wissen ja, was ein allzu starkes Strapazieren seiner Nerven für Konsequenzen nach sich ziehen kann. Er war schließlich schon schwach und nur noch Haut und Knochen! Gegen einen weiteren Suizidversuch hätte er also wenig entgegenzusetzen gehabt. 

Würmer oder Giardien: negativ. Demnach stand der Termin zum Ultraschall des Bauchraums als Nächstes auf dem Tableau. Ein nicht allzu schöner Besuch, der mich schon im letzten Jahr ziemlich viele Nerven, Geld und einen halben Urlaubstag gekostet hatte. Investitionen, die ich allerdings für die Diagnose einer krebsfreien Milz, nur allzu gerne getätigt habe! Dieses Jahr hieß es also wieder: Hoffen und Pfötchen halten. Dazu gab es Verstärkung, die des Müdis grauenvolles Betragen bei Tierärzten dankenswerterweise auf ein Minimum beschränkte. Vor Sonja, WG-Mitbewohnerin und Alles-zu-sagen-Haberin Pepper in Kombination mit mir, will er ja nicht peinlich werden. Dabei könnte ja rauskommen, dass er versucht uns mit seinen Horrorgeschichten über den jeweils anderen gegeneinander – zu seinen Gunsten versteht sich – auszuspielen! Oder, was noch viel schlimmer wäre, wir könnten merken, dass sich unsere Horrorgeschichten über den Müdi decken und sich in der Tierarzt-Situation mit faktischen Beweisen untermauern ließen.  Außerdem war dann da auch noch eine der liebsten Spaziergangpartnerinnen des Tieres anwesend. Diese zeichnet sich in des Müdis Universum zum einen durch den Besitz des besten Kumpels Loui aus (dem man um keinen Preis über seine Panik Bericht erstatten sollte) und zum anderen dadurch ist sie nie darum verlegen das ein oder andere Leckerli durch den Maulkorb zu schieben und ihn dann und wann ausgiebig zu knuddeln. 

Immer wieder verwunderlich, wie entspannt so ein Tierarztbesuch in besagter Kombination sein kann. Da lässt sich das Müdi mit minimalstem Gezeter das Bäuchlein rasieren (man denke hier kurz an Müdi als Raupe) und erträgt geflissentlich unter gutem Zureden und vielen Streicheleinheiten eine ganz und gar nicht kurze Ultraschalluntersuchung. So kann das also auch gehen…

Das Schlimmste an dieser Untersuchung sind immer die ersten Minuten der Stille. Ein Stille, in der unser Tierarzt den Bauchraum des Müdis begutachtet. Die Gewissheit, dass eine kleine Anomalie, die er entdecken könnte, unser ganzes Leben verändern könnte, macht einen einfach nur fertig. Man wünscht sich allerdings fast, diese schreckliche Stille ewig ertragen zu müssen, wenn sie im Gegenzug dafür nicht durch eine negative Diagnose durchbrochen werden würde. 

„Langweilig für mich.“, war dieses Jahr der Satz, der uns erlöste. Es war also alles gut. Kein böser Tumor, keine Auffälligkeiten. Ein innerlich, medizinisch, absolut langweiliger Hund. – Im Bauchraum versteht, seinen Kopf hat er ja nicht gesehen. Ich fürchte, wenn es jemals dazu kommen würde, gäbe es eine nämlich medizinische Sensation. Die Entdeckung einer bis dato unbekannten karnivoren Hirnregion zum Aushecken finsterster Machenschaften, oder so was in der Art. 

Ein entspannter Tierarztbesuch hätte auch als solcher beendet werden können, wenn da nicht diese eine Aussage gewesen wäre. Denn zuletzt erwähnte der Arzt, und er konnte es ja auch nicht besser wissen, seine folgenschwere Erkenntnis: „Auffällig ist, dass der Magen sehr leer ist. Der hat aber lange nichts zu essen bekommen. Armer Kerl.“. Bei diesen Worten fühlte ich förmlich durch den Kopf in meinen Händen die Rädchen im Müdihirn einrasten und vielleicht entglitt ihm sogar ein heimtückisches Grinsen. Diagnose: Mehr Essen in das Tier. Besser konnte es ja gar nicht laufen für den Herrn. 

Wenn der sich jetzt echt so runtergehungert hat bzw. seit acht Wochen den Bauch einzieht, damit es letztlich zu dieser ärztlichen Diagnose käme, ziehe ich aus. Das wird mir langsam echt zu gruselig.