WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 3

von Mira Berghöfer

MEIN MÜDI, DER BESUCH UND ICH

Besuch ist bei meinem Müdi und mir ein sehr heikles Thema.

Denn wenn er auch nicht viele Merkmale eines Aussies aufweist, so hat er in puncto territorialem Verhalten doch ganz rassetypisch und zu meinem größten Bedauern bei der Verteilung der Gene aus vollem Halse hier geschrien.

Außenstehende fragen mich zwar häufig, warum ich mir denn so einen Stress machen würde, weil: „Der ist doch erzogen und hört auf dich.“ Ja, ist er und ja, er hört, aber trauen tue ich ihm eben nicht. Wenn jemand unser kleines Reich betritt, habe ich daher gerne die Kontrolle über die Situation und überlasse sie eben nicht dem kleinen Autokraten. Das allerdings ist immer wieder mit Stress verbunden, denn es heißt dann strenge Mira gegen schlauen Müdi und mitleidigen Besuch.

Wenn es klingelt, weiß Herr Wilson schon genau was passiert und dennoch versucht er immer wieder das Unvermeidliche abzuwenden. Er macht sich dann unsichtbar und versteckt sich hinter dem Sofa, da ich –so sein vermeintlicher Plan– sein Wuffen dort nicht hören, ihn übersehen und dadurch letztendlich der Besuch nach Herzenslust begrüßt und kontrolliert werden könne. Falsch gedacht. Schließlich wird er nämlich doch noch vor dem Eintreten des Gastes auf seinem Platz im Wohnzimmer festgenagelt, wo er dann unmotiviert wuffend liegen bleiben muss, während ich die Begrüßung und meine üblichen Anweisungen zum guten Umgang mit dem Hund herunterleiere: „Bitte einfach nicht beachten, der steht nicht so auf Fremde, muss sich erst mal beruhigen, wenn du Angst hast, kein Problem, der kann auch die ganze Zeit dort liegen bleiben.“

So weit, so gut, bis dann der Blick des Gastes auf die leise seufzende, „gequälte“ Hundeseele mit den traurigen Augen auf dem Hunde-Kingsize-Bett in der Ecke fällt. Es entscheiden Sekunden, aber in 9 von 10 Fällen heißt es dann: „Aaaaber der ist doch sooo lieb, darf er nicht mal „Hallo“ sagen, der Arme?!“ An diesem Punkt habe ich dann Runde 1 verloren. Der Gast wurde vom traurigen Müdi-Blick in den Bann und auf seine Seite gezogen. Mistkerl.

Das Gute ist, dass Wilson niemals aufstehen würde. Darauf kann ich mich verlassen. Er bleibt liegen, wenn ich ihm das sage, auch wenn es eine absolute Verachtung meiner Person induziert. Allerdings nimmt er das Einhalten des Gebots genauso ernst, wie dessen Auflösung. Dummerweise habe ich mich bei der Wahl meines Auflösekommandos nicht sonderlich klug angestellt. So kommt es dann und wann vor, dass ich während ich beispielsweise Getränke vorbereite auf eine Frage meines im Wohnzimmer wartenden Gastes ein „Ist okay.“ entgegne. Komme ich dann mit den Getränken ins Zimmer, bekomme ich die Quittung für meine unüberlegte Wortwahl. Nun liegt nämlich ein grinsender Müdi rücklings auf dem Schoß des Besuchs (perfekte Streichelposition versteht sich). Du hast mein Kommando ja aufgelöst, denkt der sich. Ich werde dann mit Vorwürfen des Gastes gestraft, der die Schmusigkeit meines Tieres knuffig findet. Ich hingegen sehe hinter dem Müdi-Blick zu Recht oder Unrecht, das lassenwir dahingestellt, immer nur folgenden Gedanken: „Naja, solange der hier sitzen bleibt, still ist und mir den Bauch krault, kann der meinetwegen hierbleiben, ansonsten werden wir sehen…“

Eine tolle Ausgangssituation für einen entspannten Abend mit Hund und Gast. Immer wieder schön, wie genau dieses Tier hinhören kann, wenn es das will.