WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 26

von Mira Berghöfer

JUGENDSÜNDEN DIE DRITTE

Manchmal frage ich mich, welche Anzeichen auf die Entwicklung hin zu einem wahren Müdi hindeuteten, die ich damals als Herr Wilson noch ein Baby Wilson war, nicht sehen konnte oder wohl auch nicht sehen wollte.

Hätte ich wissen müssen, dass die Dinge sich mit diesem Tier so besonders entwickeln? Hätte ich das Unvermeidliche vielleicht abwenden können und ein normales Leben mit einem normalen Begleiter haben können? Eine Antwort auf diese Fragen werde ich wohl nie erhalten, aber die Analyse der Vergangenheit mit meiner Müdi- Kompetenz von heute, kann dann und wann schon amüsant sein…Immer wieder fallen mir da so Situationen ein, wo ich mir heutzutage denke, dass ich hätte klüger reagieren, genauer operieren oder konsequenter agieren sollen.

 

 So war ich damals beispielsweise sehr regelmäßig mit dem kleinen Prinzen in größerer Runde zu morgendlichen Spaziergängen unterwegs. Da war er noch richtig gesellschaftsfähig … ICH genoss diese Runden sehr, denn sozialer Kontakt zu Artgenossen, ausreichend Bewegung sowie eine Fellnase, die mich von Anfang an auf Spaziergängen besonders mit den ausgewachsenen Hunden meiner Eltern begleiten konnte, war mir sehr wichtig.

 

Da ich mit der Erziehung des Tieres auch relativ früh, sehr weit fortgeschritten war, ließ ich ihn gerne bereits nur mit einem Leinchen ausgestattet in der Runde mitlaufen. Der war ja ausreichend beschäftigt mit den anderen Hunden und unselbstständig und auf mich bezogen genug um sich dann und wann rück zu versichern, dass ich auch noch da war. – Dachte ich jedenfalls.

 

Man möge sich den Schreck vorstellen, der mich erfasste, als Wilson sich schließlich mit gerade einmal 12 Wochen mitten auf unserer täglichen Hunderunde urplötzlich auf eigene Faust ins Dickicht stürzte und taub für jeden meiner Zurufe verschwand. Damit konnte ich zu diesem Zeitpunkt auch einfach nicht rechnen. Arbeiteten wir nicht tagtäglich an seiner Unsicherheit in nahezu jeder Situation?! Als Beispiel dafür führte ich damals gerne die erstmalige Konfrontation Wilsons mit einem auf der Weide eingezäunten Schaf (man bedenke gebürtiger Hütefix und so) an. Allein das erzürnte Stampfen des Schafes, welches über die Nähe des Müdis zum Zaun nicht sonderlich erfreut gewesen zu sein schien, versetzte selbigen derart in Panik, dass er zur Salzsäule erstarrte und sich weigerte einen weiteren Schritt zu gehen, was wiederum zur Konsequenz hatte, dass ich mein Hundekind den Rest der Strecke zum Auto tragen musste. – Naiv zu denken, der hätte wirklich Angst gehabt…eine seiner frühsten Meisterstücke sein Aktivitätslevel aufgrund akuter Faulheit möglichst niedrig zu halten. Genialer Schachzug muss ich ihm allerdings zugestehen.

 

Jedenfalls war ich bei seiner erstmaligen „Ich-bin-dann-mal-weg-Aktion“ der festen Überzeugung, er müsse eine unerklärliche Panikattacke erlitten und sich blindlings auf und davon gemacht haben. In meiner Vorstellung lag er Kilometer entfernt mit gebrochenen Beinen im Unterholz und rief nach mir, war wegen des Verdachts auf Wild-Hetze erschossen worden oder vielleicht einer anderen Familie zugelaufen, die ihn nicht mehr hergeben würde, weil er so niedlich war (Naivität die 2.: Niemand mit Verstand behielte den länger als 2 Stunden. Wahrscheinlich würde man mir eher Geld zahlen, damit ich ihn zurücknehme). Nun ja, wir suchten ihn jedenfalls. Über eine Stunde ist die ganze Gruppe mit mir durch den Wald gerannt, die gewohnten Stecken abgelaufen, hat gerufen und sich zum Affen gemacht, aber von Baby Müdi fehlte jede Spur. Irgendwann beschlossen wir dann, den Heimweg anzutreten. Das Handy im Anschlag um Polizei, Tasso und alle Tierheime der Region anzurufen, als mir auf halbem Weg mein kleiner Bruder mit dem kleinen Prinzen an der Leine entgegenkam. Da war die Freude natürlich (fälschlicherweise) groß. Wie mein Bruder berichtete, saß das Tierchen vor der Haustüre und weinte entsetzlich.

 

Mein armes kleines Hundebaby hatte sich also vor lauter Panik in den Wald geflüchtet und dank seiner immensen Intelligenz dennoch den Weg zum sicheren Heim gefunden! Konnte man das nicht sogar feiern?! Naivität die 3., denn nur wenige Wochen später, wusste ich es schon besser. Das war keine Panik, nee das war Kalkül. Mit 12 Wochen hatte er sich nur das erste Mal getraut auszuprobieren, ob sein längst ausgeklügelter Plan realisierbar war und er selbstbestimmt entscheiden könnte, wann diese eine Besitzerin so erfreuenden Spazierrunden ein Ende fänden.

 

Seit jeher wusste ich nämlich, bei plötzlichem Abtauchen und Alleingängen des Hundes, wo es zu finden war. „Sitzt er wieder draußen?“, hieß es dann jedes Mal, wenn ich allein gelassen im Wald zuhause anrief. „Japs, hat sich auf der Fußmatte eingerollt und pennt“, lautete die Antwort und das nicht nur einmal. Mach ein ‚Zu Verkaufen Schild‘ dran“, hätte ich vielleicht sagen sollen, denn dies war der Beginn einer bis heute nicht enden wollenden Diskussion zwischen mir und dem müdesten Aussie der Welt.