WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 20

von Mira Berghöfer

PEINLICH, PEINLICH DIESES MÜDI (TEIL 3): DIE SACHE MIT DEN KLETTEN

Ein Müdi, so muss man wissen, ist ein relativ eitles Geschöpf. Fellpflege ist daher seiner Meinung nach Chefsache und ich als unwissender und unfähiger Mensch sollte da besser nicht eingreifen.

Blöd ist da nur die Sache mit der Kastration und dem Flauschfell, welches seitdem vermehrt für Filz im müdischen Haarkleid sorgt. Ich habe also gar keine andere Wahl, als ihn dann und wann zu bürsten und in den seltenst möglichen Fällen auch mal die Schere zur Hand zu nehmen, um das Wuselfell an Ohren und Pfoten zu stutzen. Soll ja zumindest ordentlich aussehen, wenn er sich schon nicht ordentlich benehmen kann.

Es ist wieder soweit. Die ungeliebte Zeit des Jahres bricht an, in der man vermehrt, verzweifelte Hundebesitzer im Wald antrifft, die über ihren Hund gebeugt versuchen verschiedenste Arten der Kletten aus dem Fell ihrer Vierbeiner zu operieren, damit es zu keinen fiesen Verfilzungen kommen kann.

Die Hunde schauen dabei meist weniger glücklich drein und lassen die Prozedur leicht, bis mittelschwer genervt über sich ergehen. Doofe Menschen, die am Fell ziepen, einen nicht vernünftig im Wald toben lassen und damit möglicherweise eine Blamage vor den Hundekumpels induzieren, können aber auch einfach nur unangenehm sein. Wen interessieren schließlich schon Kletten und Filz im Fell, wenn man vergnügt durchs Unterholz stromern und sich in kalten Bächen von der Sommerhitze abkühlen kann? So sehen das zumindest die meisten Hunde, denke ich.

Mein Müditierchen allerdings nimmt auch in diesem Bezug eine Sonderrolle ein. Kletten jedweder Art sind in den Top 10 der größten Feinde meines Hundes unter den ersten Drei. Dies zeichnet sich jedoch nicht etwa dadurch aus, dass er Unterholz und derlei Gewächs meiden würde. Er hat da seinen ganz eigenen Weg, den Hass und das Unbehagen, ob eines Angriffs seiner Erzfeinde auszudrücken. Hat er eine Klette im Fell bemerkt, kann er nämlich keinen Schritt weitergehen und kriecht, wenn eigene blitzartige OP-Versuche fehlgeschlagen sein sollten, Hilfe suchend zu einem ihm nahe stehenden Menschen. Dabei ist seine Not meist sehr groß und seine Verzweiflung grenzenlos, wenn einer dieser Menschen sein Leid nicht sofort bemerken und ihm zur Hilfe eilen sollte. Befreie mich, sonst wird es mich richten, scheint er dann auf jede erdenkliche ihm mögliche Weise zu schreien.

So trug es sich unlängst, wie mir berichtet wurde, zu, dass Wilson mit seinem besten Kumpel Loui eine Runde über die Auslaufwiese drehte. Raufend und keifend, rennend und pöbelnd, ganz so, wie ein Müdi es mag, verschwanden sie in einer Senke auf dem Weg zur Wasserstelle. Nach wenigen Augenblicken kehrte allerdings nur Loui zurück, von seinem Kumpel fehlte jede Spur. Nach einem Moment der Freude, in dem man heimlich jubelnd denkt, dass er sich wohl doch endlich andere Besitzer zum Ärgern gesucht hat, guckt man dann doch, ob ihm was zugestoßen sein könnte.

Beim Blick in die Senke zum Wasserloch dann der Schock. Ein schwarz-weißer Fellhaufen, auf der Seite liegend, schwer atmend und ansonsten regungslos. Nach wenigen Panikmomenten auf dem Weg zum Tier, in denen man über Hitzeschlag, Herzinfarkt und gerissene Bänder nachgedacht und den Transport des Tieres aus dem Wald in die nächste Klinik schon geplant hatte, dann – wie so oft – die Resignation. Die Ursache für den Zusammenbruch war die Konnexion mit einer großen Ansammlung der berüchtigten Arctium lappa, oder auch der großen Klette. Deren reife Fruchtstände hatten sich zuhauf im müdischen Fell verfangen, sodass es ihm nicht einmal mehr möglich war, den Weg zum Menschen seines Vertrauens zurückzulegen, um eine Ersthilfe in Anspruch nehmen zu können. Die einzige Möglichkeit bestand darin, liegen zu bleiben und das nahende Ende zu akzeptieren. Hoffnungslos, dass irgendjemand noch in der Lage war, diesen letzten Schlag der gemeinen Klette gegen ihn armes, hilfloses Geschöpf abzuwenden.

Da meint man doch, dass dieses Tier dankbar sein sollte, wenn es den Menschen seiner Wahl letztlich doch gelingt, ihn aus derlei ausweglosen Situationen zu befreien. Wobei eigentlich müssten wir seine Augen und Ohren sein und den Herrn vor den Angriffen seiner Feinde bewahren, ist ja schließlich unsere Aufgabe als ‚Rudelführer‘, oder nicht?