WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 49

von Mira Berghöfer

NICHT SO ANGENEHME ANGELEGENHEITEN

Was einem meistens kein Züchter vorher erzählt und in den gängigen romantisch anmutenden Filmen über das traute Zusammenleben mit dem besten Freund des Menschen wohl rein zufällig immer in die Aufnahmepausen fällt, ist der Fakt, dass man sich als Besitzer eines felligen Wesens nicht allzu selten auch mit dessen Erbrochenem auseinandersetzen muss. 

Ich selbst wurde außerdem durch die Tatsache getäuscht, dass diese eigentlich natürliche Reaktion des Körpers zumindest während unseres Zusammenlebens unter der Würde des Dackel-Mixes meiner Eltern stand und er das Erbrechen von Nahrung, Gras oder Magensäure deshalb schlicht unterlies. „Alles meins! Das teile ich doch nicht mit dem Fußvolk!“, dachte sich der kleine Autokrat, als der er bis zu unserem ersten Kontakt mit einer Hundeschule jahrelang lebte. Nicht so eine üble Angewohnheit von dem kleinen Wurm, aber dadurch war ich nicht unbedingt gut darauf vorbereitet, was man als Hundebesitzer da teilweise so ertragen muss. Erst nach und nach habe ich gelernt damit umzugehen, denn die Gerüche und die Konsistenz der ein oder anderen „Sache“, die im Besonderen so ein Müdi verbotenerweise im Wald aufnimmt und schließlich zuhause auf dem Wohnzimmerteppich erbricht, kann einem selbst auch schon mal auf den Magen schlagen. 

Mittlerweile ist das jedoch gar nicht mehr so eine große Sache. Ich bin es gewohnt und nun fast schon froh, dass wenigstens seine Körperfunktionen – wenn schon nicht sein Verstand – dafür sorgen Objekte wie tote Frösche, Papier, Kuvertüre, den 12. von der Arbeitsplatte geklauten Hefeteigrohling, oder gefühlt die halbe Heuernte des benachbarten Bauernhofs unverdaut wieder auszugeben. Dem Hund selbst ist es allerdings hochtrabend unangenehm, wenn es denn dann wieder mal passiert ist. 

Ich stelle ja ganz gerne Überlegungen und Theorien zu den psychischen Abgründen meines kaltschnäuzigen Mitbewohners an. Wenn man nun also reflektiert, woran es liegen könnte, dass Herr Wilson, nachdem er sich auf den teuren und einzigen Teppich des Hauses erbrochen hat, am liebsten in Erdboden versinken würde, ist meine Theorie und vermutlich auch eine entsprechende Antwort mehrdimensional: Es wird mit allergrößter Wahrscheinlichkeit eine Mischung aus Scham, Übelkeit und Trauer sein! Scham, weil ich der feste Ansicht bin, dass er spürt, wie eklig ich es finde und wie sehr es mir auf die Laune schlägt, in den meist unpassendsten Momenten Flecken aus dem Teppich zu schrubben. Übelkeit aus dem naheliegenden Grund, dass es ihm nun einmal wirklich elend sein muss, wenn er sich übergeben muss. Und zuletzt natürlich Trauer. Trauer um den Verlust des hart erkämpften Mageninhalts, dessen Wert man bei einem Müdi niemals zu geringschätzen sollte. 

Die besagte Dreivaltigkeit der Post-Vomitus-Gefühlslage äußert sich meist dadurch, dass Herr Müdi leicht geduckt, mit hängender Rute und Ohren großen Abstand zwischen sich und die Hinterlassenschaft bringt und mich aus einer sicheren Ecke heraus schmatzend beäugt. Trinken, um den ekligen Geschmack aus dem Mund zu bekommen, kommt schließlich nicht in Frage! Dann und wann schlawenzelt er mit leicht wedelnder Rute um meine Beine herum, leicht geduckt, meinem Blick stets ausweichend. Wenn man nun als zumindest teilweise gebildeter Hundebesitzer vermuten sollte, dass es sich hierbei um beschwichtigendes Verhalten handelt, muss ich leider wieder daran erinnern, dass es sich eben nicht um einen gewöhnlichen Hund, sondern um einen Müdi handelt!

Eigentlich geht es ihm nämlich darum genau herauszufinden, ob ich vorhabe kurz ins Bad zu verschwinden und im Eifer der schnellen Putzmittelbeschaffungsmaßnahme vergessen könnte ihm die Stelle seiner Missetat zu verbieten. Tue ich dies nämlich nicht, kann er sich nämlich ungesehen, während ich im Bad beschäftigt bin, auf seinen Mageninhalt stürzen und ihn sich wieder einverleiben. Ekelhaft?! Ja, eben ganz der Müdi. Für ihn ist das schließlich eine Win-Win-Situation. Erstens erlangt er so wieder Sättigung und zweitens erfolgt diese auch noch mit einem fiesen vorverdauten Beigeschmack, denn für einen Wilson gilt: Je ekliger, desto leckerer! Vielleicht ist diese ganze Aktion auch nur eine besonders fiese Art der Spezialzubereitung. Eine Art Müdi-Gourmet-Speise… Ich finde diesen Gedanken wirklich nicht so abwegig und muss zudem ganz leise zugeben, dass es mir in manchem Fällen wirklich lieber ist, dass er den Kram wieder frisst, als dass ich ihn anfassen muss!