Menschenmassen drängen sich an derlei Wochenenden, besonders bei den ersten frühlingshaften Temperaturen des Jahres – bei 16 Grad im Februar erweckt es selbst den eingefleischtesten Sofaliebhaber aus dem Winterschlaf und lockt ihn überdies sogar an die frische Luft – über die Waldwege und sie sind dabei zumeist nicht allein. Nein, sie sind in Begleitung ihrer hundeartigen Wesen unterwegs. Vollkommen bekloppte, umhertollende Energiepakete, die außer Rand und Band raufend durchs Unterholz fegen und in ihrem Universum sicherlich eine Menge Spaß haben. Ein großes Mysterium, wo diese Tiere den Winter verbracht haben, sie sind mir jedenfalls nicht aufgefallen, als ich bei Schnee, Glätte, Nieselregen oder Dunkelheit durch den Wald wankte, um meinen Hund zu bewegen (oder zu quälen, wenn man Müdi fragt).
Auch wenn diese Frühlingssonne die Hundebegegnungen nicht entspannter und die Ruhe, welche man die letzten Monate im Wald genießen konnte, weniger entspannter macht, ist es doch auch schön. Ohne Schal, Mütze, lange Unterhose und den dicken Mantel ist man viel mobiler und ein schöner Sonntagsspaziergang mit Hund und Familie im Wald, hat eben auch was für sich. Außerdem muss man die Stellung halten, man war ja schließlich den ganzen Winter hier und wird nur wegen dieses viel zu frühen Frühlings jetzt nicht damit aufhören! Haben wir schließlich jeden Sonntag gemacht…langsam höre ich mich so an wie mein Hund…An dieser Stelle muss ich natürlich nicht erwähnen, dass Herr Müdi die Gesamtsituation vollkommen anders betrachtet, als ich. In diesem Fall wäre ihm das Abweichen von unserer Routine sicherlich überaus angenehm.
An diesen Tagen kommt mir immer wieder der „nölige Teenager“-Vergleich in den Sinn. Müdi findet diese Ausflüge, besonders unter den Umständen der ersten Frühjahrsvorboten und den damit einhergehenden Unannehmlichkeiten, ganz und gar nicht schön. Er findet es sogar richtig ätzend und anstatt uns – durch sein Verhalten der letzten Wochen (Blogeintrag folgt) sowie schon gequälten Besitzer – wenigstens die Freude des unverhofften Auffüllens unser Vitamin-D-Speicher zu lassen, drückt er sein Missfallen mit jeder der ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel aus.
Missachtende Blicke, müdes Hinterhertrotten, gesenktes Haupt, dann und wann ein tiefer, vorwurfsvoller Seufzer. An jeder Gabelung der hoffnungsvolle Versuch der Abkürzung, die ihn schneller zurück zum Auto führen könnte und sollte es einer dieser Energiepakete wagen, ihm zu nahe zu kommen…Er durfte sich schließlich nicht den ganzen Winter ausruhen und Energie zum Raufen tanken, sondern musste Sport treiben. Mit dem Ahnungslosen durch den Wald rennen, bei Minustemperaturen die schreckliche Kälte ertragen und das letzte bisschen Wohlstandsspeck einbüßen, den er sich so mühsam angespart hatte. Wobei der geschilderte Sachverhalt selbstredend nicht seinem Sportpartner, sondern mir zum Vorwurf gemacht wird. Der Ahnungslose kann schließlich nicht wissen, dass er dem Tier durch gemeinschaftliche, sportliche Betätigung keine Freude macht, sondern ihn eher halb zu Tode quält. Ich hingegen als erfahrende Müdihalterin, hätte dafür sorgen müssen, dass ein Müdi derlei nicht eingeplanter Aktivität im Alltag nicht ausgesetzt werden würde.
Außerdem – um auf den vergangenen Sonntagsspaziergang zurückzukommen – musste er diesen ersten Frühjahrstag erstmalig mit Maulkorb bestreiten. Keine einzige Möglichkeit mehr nicht aufgegessene Pausenbrote von Spaziergängern aufzunehmen, aus Wurzelmulden mit Giardien belastetes Wasser zu schlürfen und erst die Schande vor den ganzen ‚neuen‘ Hunden im Wald. So hatten sie ihn schließlich noch nicht gesehen, der Sommer war schließlich zu warm, Herbst und Winter wiederum zu schmuddelig für ein potenzielles Treffen. Ein doppelt hartes Los für den armen Herrn Wilson also und zu allem Überfluss hatte er dann auch noch Rücken, wegen seiner Schandtaten der letzten Wochen…
Als erfahrende Müdihalterin hätte ich schon beim Aufbruch zur Sonntagsrunde wissen müssen, dass mich der Hass meines Tieres treffen würde und die Runde dadurch wahrscheinlich weniger entspannt werden würde. Nachdem ich dann allerdings den x-ten Hund aktiv daran hindern musste, mich über den Haufen zu rennen und den zehnten Passanten darauf aufmerksam machte, dass es vielleicht keine gute Idee sei, seinen/ihren Hund an angeleinte Maulkorbträger zu lassen (ja, ich musste das Müdi irgendwann hinter mir her schleifen), konnte ich Wilson sogar ein bisschen verstehen. Vielleicht sollten wir uns einen azyklischen Gassiplan zurechtlegen, bei dem wir den Wald zur warmen Jahreszeit meiden und in der Kälte dann erst zurückerobern…