Wilson - Der Anti Aussie
WILSON – DER ANTIAUSSIE – TEIL: 44
- von Mira Berghöfer
DIE UNSICHTBARE GRENZE_Teil 2
Dass so etwas wirklich noch passieren sollte, hatte wohl keiner in unserem Haushalt für möglich gehalten: Es gab Streit, und zwar Streit zwischen den beiden Herren des Hauses!
Ein absolutes Novum. Im Normalfall gibt es nämlich nur Streit zwischen Müdi und mir (die Gründe sind unzählig und würden den Rahmen eines einzelnen Blogbeitrags bei Weitem sprengen. Nicht umsonst sind wir mittlerweile schon bei Nummer 44 dieser kleinen Geschichten, die ich vermutlich ohne Ende weiterschreiben könnte), oder natürlich dem Ahnungslosen und mir – meist wegen des Müdis (Beliebte Themen sind hierbei: Ich erlaube ihm zu wenig, füttere ihn zu wenig, traue ihm zu wenig, mag ihn zu wenig, bespiele ihn zu wenig...beschreibe ihn im Blog zu fies. Die Liste ließe sich fortsetzen. Man möge meinen, das Müdi hätte ihn hervorragend um die Pfote gewickelt, aber das habe ich nicht laut gesagt. Ist natürlich zum Teil auch berechtigt diese Kritik an meiner Einstellung und Gemeinheit gegenüber dem armen hochwohlgeborenen Müdi-Herrn *hust*. Argument Nummer eins in diesen Auseinandersetzungen ist zumeist (egal was er mal wieder angestellt hat, um mich zu enttäuschen, zu ärgern und/oder zu blamieren): „Er ist halt ein Hund.“ Da hat der Ahnungslose zoologisch betrachtet recht, kann ich immer nur resignierend beipflichten. Aber das Müdi ist eben nicht nur ein Hund, sondern eben ein spezieller Artgenosse und darüber hinaus (m)ein Müdi, mit dem ich schon so viele nicht immer schöne Dinge erlebt habe. Eine Tatsache, die dazu führt, dass er mich eben schneller auf die Palme bringen kann, als jedes andere Geschöpf der Familie canis lupus familiaris es tun könnte.)
Wie dem auch sei, kommen wir nun wieder zum Wesentlichen. Denn heute geht es ja eben mal ausnahmsweise nicht um einen Streit zwischen dem Tierchen und mir. Sehr erfrischend, wenn man mich fragt.
Das Müdi und der Ahnungslose verstehen sich, wie bereits dann und wann angedeutet, wirklich hervorragend. Mit seinem Kumpel kann der Hund raufen, toben, schmusen und sogar – wer hätte dies je für möglich gehalten: Sport treiben! In vielerlei Hinsicht ist das Müdi für den Ahnungslosen vielleicht der Hund, der er für mich nie sein wollte oder konnte. Grundsätzlich natürlich etwas, das mich sehr freut, aber es kann in der Rolle als des Müdis Sündenbock, wie oben angedeutet, eben auch manchmal anstrengend werden. Zuträglich für ihre Freundschaft sind ihre gemeinsamen Interessen. Neben dem Toben, Tricksen, Mira-ärgern und dem Sport (wobei ich mich frage, wie lange Müdi diese Fassade noch aufrechterhalten kann. Der wollte dem Ahnungslosen mit Sicherheit am Anfang nur schöne Augen machen und mittlerweile ist er in seiner Rolle gefangen, will die Erwartungen seines Kumpels nicht enttäuschen und ihn mit der harten Realität, seiner unsäglichen Faulheit, konfrontieren.), umfassen diese Interessen insbesondere das Essen. Eine Leidenschaft, bei der sich das Müdi nicht sonderlich für seinen Freund verbiegen musste. Es scheint also eigentlich nicht verwunderlich, dass sich der erste ernsthafte Streit zwischen den beiden, gerade um dieses Thema drehen musste.
Als wir unseren Kurzurlaub im Pfälzerwald antraten, war es nicht gerade kühl, sodass wir den Müdi bei nicht-müdi-geeigneten Aktivitäten wie Einkäufen leider nicht mitnehmen und ihm Auto hätten warten lassen können. In derlei Situationen ist das Tier allerdings wirklich unkompliziert und nutzt die Zeit ohne uns, so glaube ich zumindest, gut und gerne in der heimischen Ferienwohnung, um sich von den Strapazen des Urlaubstags zu erholen. Selbstredend würde ich ihn niemals zu lang in der ungewohnten Umgebung zurücklassen. Manchmal geht es aber eben nicht anders und der entspannt auf seinem Kissen eingerollte Müdihund bestätigt bei meiner Rückkehr in die Ferienwohnung eben auch meinen Eindruck, dass ihm diese Episoden des Alleinseins keine allzu großen Unannehmlichkeiten bereiten. In diesem speziellen Fall könnte dies allerdings auch daran gelegen haben, dass die Mülleimer der Ferienwohnung nicht wie bei uns zuhause wie Fort Knox abgesichert waren, sondern durch eine Klappe leicht zu öffnen waren. Dadurch bot sich dem Hund selbstredend die Möglichkeit alte Fertigkeiten anzuwenden und sich in unserer Abwesenheit über den Inhalt der Eimer herzumachen. Ein Sachverhalt, der den Ahnungslosen zunächst zum Lachen und ungläubigen Staunen brachte (glaubte wohl bis dato ich hätte mir des Müdis Kleptomanie ausgedacht...). Als wir dann in die Wohnküche kamen, ereilte uns und speziell den Ahnungslosen allerdings ein Schock. Da hatte sich das Müdi doch, ganz nach alter Manier, alle Tomaten von der Arbeitsplatte geangelt, in sein Nest geschleppt und dort genüsslich und nicht ohne eine riesige Sauerei anzurichten vertilgt. Blöd nur, dass es sich um einen Sonntag handelte, die Geschäfte geschlossen waren und damit unser Plan, Caprese-Pfannkuchen zu backen von unserem Tierchen zunichtegemacht wurde. Als der Ahnungslose mit hungerbedingtem Groll zwischen dem betreten dreinblickenden Müdi, der Sauerei auf seinem Kissen und dem Platz an dem ursprünglich die Tomaten lagen, hin und herblickte, kam ich derweil nicht umhin leise zu schmunzeln und mir den Verlauf der nun folgenden Dinge vergnügt vom Rande her anzuschauen. Wenige Zeit später begann sich der Ahnungslose nämlich fürchterlich aufzuregen. Er hatte schließlich Hunger und sich genau auf dieses Gericht gefreut, was wir schleunigst zubereiten wollten, um den Abend im Anschluss entspannt auf dem Balkon der Ferienwohnung ausklingen zu lassen. Das Müdi war schockiert ob der ihm zuvor unbekannten Grenze, die er da überschritten hatte und verzog sich in einen Spalt zwischen Sofa und Heizung, damit ihn keiner mehr sehen konnte. Jetzt mussten wir uns was Neues ausdenken um den Hunger sowie den unweigerlich damit verbundenen Zorn wenn dieser nicht gestillt wird zu tilgen, oder auswärts Essen gehen, was die Nahrungsaufnahme allerdings mindestens um eine Stunde verzögern würde. Immer weiter schimpfte der Ahnungslose vor sich hin, fassungslos über des Müdis Verhalten, während er eruierte was wie und wo wir wohl schnell Essen gehen könnten und fragte ihn schließlich, was er sich wohl dabei gedacht habe uns in eine derlei missliche Lage zu bringen, nahm das Nilpferd von Wilsons Kissen und setzte es für das Tier unerreichbar auf den Kühlschrank. „So, wenn du so ein böser Müdi bist, dann kannst du auch dein Spielzeug nicht mehr haben!“ Ich beobachtete die Szenerie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ja, was denkt der sich denn? Der muss doch lernen, dass das so nicht geht!“, antwortete er mir, als ich ihm versicherte, er könne ihm das Nilpferd schon wiedergeben, da das Müdi derlei Strafen nicht verstehen könnte. „Na ja“, entgegnete ich mit einem triumphierenden Lächeln, „er ist halt ein Hund.“