WILSON DER ANTIAUSSIE TEIL: 53

von Mira Berghöfer

ALLTAGSSÜNDEN

Unerwartete Änderungen in des Müdis Alltagsleben sind schwierig. Wir wissen das. Man darf diesem Tier sowas wirklich nur selten antun. Feste Strukturen sind das, was mein Hund braucht und wenn er das nicht haben kann, wird es für alle Beteiligten bekanntlich wirklich unangenehm. 

Der Umzug von Sonja zu uns und die miteinhergehenden Veränderungen waren daher erwartungsgemäß nicht so einfach. Mittlerweile macht er sich jedoch wirklich erstaunlich gut (wobei nicht unerwähnt gelassen werden sollte, dass er einige Teile seines neuen Lebens einfacher annahm als andere). 

Der Start in den Tag ist da beispielsweise eher eine Sache, die er nur schwer akzeptieren konnte. Der Wecker klingelt nämlich bereits um 5.45 Uhr und dann heißt es für Prinz Wilson: aufstehen und eine echte große Runde rausgehen. Egal, ob es regnet, stürmt und auch ganz egal, ob es noch dunkel ist! Damit eine morgendliche Runde überhaupt möglich ist, muss es eben früh sein. Müdis Meinung nach ist diese Morgenroutine natürlich absolut nicht notwendig und Hunderunden im Allgemeinen vollkommen überbewertet. Ein Garten zum Pipi machen würde schon völlig reichen, aber damit kann ich ihm leider nicht dienen. Vermutlich eines meiner größeren Vergehen, die er mir allabendlich anlastet, wenn er mir zum Kuscheln allabendlich den Ahnungslosen vorzieht. 

Ich kann ihn ein bisschen verstehen, denn jetzt im Winter in der Dunkelheit sind Morgenrunden auch wirklich nicht sonderlich attraktiv: Beleuchtete Wege und kein „toben“ im Wald. Er quittiert mir meine unglaubliche Unverschämtheit, ihn bei derlei Bedingungen vor die Türe zu scheuchen mit einer nie zuvor da gewesenen Trägheit. Wenn ich ihn auf der Nordbahntrasse (einer stillgelegten Bahntrasse, die umgebaut zum Rad-und Fußgängerweg quer durch Wuppertal führt) versuche, von der Leine zu lassen, ist das jeden Morgen ein gewagtes Spiel. Er schlendert dann nämlich in einer atemberaubenden Trägheit hinter mir her und ich könnte schwören, dass ich seine Augen dann und wann in der Dunkelheit vor Zorn auf mich funkeln sehen kann. Gerne bleibt er zwischendurch auch ungläubig stehen und ich muss ihn gefühlt minütlich dazu auffordern, mir doch bitte zu folgen. Schließlich nehme ich ihn dann meist doch an die Leine, ich möchte ja auch irgendwann zuhause ankommen. Nicht zu erwähnen brauche ich natürlich, dass es auch einige Selbstmordversuche gab. Immer dann, wenn ich es natürlich am wenigsten erwarte, versuchte er sich bereits des Öfteren auf die auch zur frühen Stunde nicht wenig befahrene Radstrecke der Trasse zu stürzen. Aus diesem Grund kann ich ihn auch nie aus den Augen lassen, wenn er zehn Meter hinter mir her trottet… Der Ahnungslose würde mir nie glauben, dass es ein Unfall gewesen ist!

Die ersten Wochen waren diesbezüglich besonders hart, mittlerweile erträgt er sein Schicksal zumindest bei trockenem Wetter allerdings etwas tapferer!

Zurück zuhause verschwindet er dann gleich wieder im Bett, bis ich das Haus verlasse, versteht sich. Dann gebe ich ihm nämlich seine Tapferkeitsmöhre. Während ich mir die Schuhe anziehe, schleicht er dann meist schon aus dem Schlafzimmer und versucht möglichst unbeteiligt dreinzuschauen. Forderndes Verhalten probiere ich zumindest, ja möglichst zu ignoriere. Diesen Teil seines neuen Tages findet er im Kontrast zum Spaziergang erwartungsgemäß ganz hervorragend. Mittlerweile allerdings so hervorragend, dass er es nicht ertragen kann, wenn die Morgen-Möhre nicht wie alltäglich aus dem Kühlschrank purzelt. Als ich zuletzt einige Tage krankheitsbedingt zuhause bleiben musste, hatte ich das große Vergnügen zu bemerken, wie wichtig ihm die Möhren-Struktur mittlerweile geworden ist. 

Keine Wörter der Welt können dies besser beschreiben als folgendes Bild: